Freitag, 26. August 2016
Schreien oder nicht schreien - Burkini, Niqab und andere Spleens
Eigentlich wollte ich zu dem Thema nicht mehr Stellung nehmen.
Seit ein unsäglicher Streit um Kopftuch vor Jahren bereits bayrische Herzen bewegt hat, hatte ich für mich mit diesem unsäglichen Unsinn abgeschlossen ...
Aber seit Wochen jetzt ist der Streit um die vermummte Frauenkleidung dominierend in den Medien, so daß ich mich fragen muß, bei allen Integrationsproblemen, Kriegen, jetzt Erdbeben, etc. ... Gibt es ernsthaft kein ernsthafteres Thema als dass, ob sich Frauen verhüllt oder unverhüllt darstellen?

Natürlich gibt es viele Seiten zu dem Thema.
Vermummungsverbot gilt auf Demonstrationen und öffentlichen Kundgebungen ...
Dort ist es von sicherheitsrelevanter Bedeutung (nicht, weil es Sicherheit bringen würde, sondern weil man hinterher mit Sicherheit Täter auf Film und Foto besser identifizieren kann).
Aber das hat zum Beispiel mit dem Thema Kopftuch wie jetzt aktuell in Luckenwalde geschehen, nichts zu tun.
Da war das Gesicht ja zu sehen.
Also muß man hier festhalten, dass es nicht darum geht, Sicherheit zu schaffen, sondern hinterher, wenn etwas geschehen ist, den Täter dingfest zu machen.
Das hat seine Berechtigung - braucht aber weder neue Gesetze oder Anordnungen, denn die gibt es längst, das Vermummungsverbot hat zu meiner Schulzeit unsere Gemüter erhitzt - und ist jetzt eine akzeptierte Tatsache.

Um was geht es also dann?
Es geht um Uniformität.
Die Diskussion darum, ob eine Burka oder Niqab einer Frau Freiheit nimmt oder ob ein Burkini ihr trotz religiöser Schranken Freiheit an Freizeit gibt, ist akademisch interessant.
Denn bei allen Umfragen darum, warum Frauen diese Kleidung tragen, sind die Antworten zumindest hier im Westen (Zwangsregime wie im nahen Osten sind da sicher ein anderes Blatt) von Freiwilligkeit geprägt.
Es steht (zumindest vordergründig) kein Mann mit einer Peitsche dahinter, der die Frau in die Kleidung zwingt, sondern sie will ihre Zugehörigkeit zu einer Religion und zu den damit verbundenen Regeln ausdrücken. Natürlich gibt es dabei einen sozialen Druck, wer es in dieser Gemeinschaft nicht tut, wird ausgeschlossen.
Und das ist doch der springende Punkt, warum Frauen selbst oft vehement kämpfen, diese Zeichen ihrer Zugehörigkeit tragen zu dürfen:
Sie möchten Teil ihrer Religionsgemeinschaft sein. Punkt.
Und wenn sie das nicht tun, sind sie nicht umgekehrt Teil der allgemeinen Gemeinschaft, sie werden aufgrund von Abstammung, Sprache, etc. trotzdem ausgegrenzt und angefeindet. Worin also sollte für diese Menschen der Anreiz liegen, sich der verhaßten Kleidungsstücke zu entledigen, wenn dabei nichts anderes herauskommt, als weitere Einsamkeit und Abgeschiedenheit?
Dann doch lieber mit dem Bekenntnis wenigstens zu einer Gruppe stellen, in der dann Aufnahme und Anerkennung gefunden wird.
Auch gerade wenn das Äußere als uniform wahrgenommen wird.

Das ist der Kernpunkt aus meiner Sicht.
Der Westen stellt sich gerne hin und hebt strotzende Schilder von Freiheit und Selbstbestimmung hoch.
Aber unsere eigenen Religionskriege sind in Generationen noch garnicht so lange her. Der dreissig-jährige Krieg hat Landstriche entvölkert und unsägliches Leid gebracht - und Katholische und Evangelische haben sich nicht mal durch einen Schleier zu erkennen gegeben.
Was wir nach Millionen Toten aber gewonnen haben (und das ist aus meiner Sicht der wichtigste Punkt des westfälischen Friedens) ist Religionsfreiheit.
Klar mag man heutzutage gerne die Ansicht vertreten, die schönste Religionsfreiheit ist frei von jeder Religion.
Aber die Erkenntnis ist doch, Menschen wollen glauben und wollen Teil einer Gemeinschaft sein. Und wenn man das nicht akzeptieren will, dann muß man dazu stehen, dass man selbst die Freiheit mit Füßen tritt.

Muslime sind Teil dieser Welt, zahlenmäßig über eine Milliarde Menschen. Ein kleiner Prozentsatz davon verübt Terror.
Aber weil es einfacher ist, alle zu verdammen und anzufeinden für das, was wenige tun, hackt die (sorry) zumeist ungebildete Öffentlichkeit auf der Gesamtheit der Muslime herum, statt zu differenzieren.
Und die Muslime, die sich angefeindet sehen, schließen sich umso enger zusammen - wer würde das nicht, bei Bedrohung und Hetze?
Mit dem möglichen Verbot der Kleidung und der leidigen Diskussion darum macht der "Mob" und noch schlimmer, die Politiker, die dies ausnutzen, die Situation nur noch schlimmer.

Oder wollen wir beginnen, alles zu verbieten, was Zugehörigkeit zu einer Gruppe anzeigt?
Nur mal laut gedacht:
Keine typische Haartracht mehr für soziale Gruppen, Punks raus.
Keine Fußballtrikots einer Mannschaft mehr, keine Fanschals, keine Fahnen, Fussball endlich in schwarz und weiss, die farbe der Trikots wird direkt vor dem Spiel durch Los bestimmt - und Vereine haben kein Wappen mehr.
Oder auch so etwas:
Keine Modemarken mehr.
Marken sind oft Merkmale für bestimmte angestrebte soziale Gruppen.
Bestimmte Arten der Kleidung symbolisiert für viele Menschen deren Wunsch, sich darzustellen und damit oft einer angestrebten Gruppe zu sein.
Zack - ersatzlos gestrichen.
Den Streit über Kreuze in den Schulen hatten wir ja schon, aber in dem Zuge müßten alle religiösen Zeichen aus allen Umgebungen verschwinden.
Kein Silberkreuz mehr tragen, nix.
Oder, um unseren konservativen Freunden das auch mal deutlich vorzuführen:
Keine Schützenfeste mehr, keine grünen Uniformen (für mich sowieso ein völliges Unding ... bewaffnete Kleingruppen, die paramilitärische Kleingruppen mit militärischen Rängen und Uniformen bilden - wo gibt's denn sowas? zu tausenden in Deutschland).
Oder auch natürlich ein Verbot, dass mich selbst betrifft:
Ich liebe mittelalterliches Reenactment ... zack vorbei, ich würde mich in Rüstung ja als Teil der Geschichtsfreunde outen.
Und im Kampfsport genauso.

Die Absurdität mach es deutlich:
Laßt den Leuten ihre Spleens.
Wenn eine Frau baden will UND sich als Muslimin beknnen will, laßt sie den Burkini tragen.
Ich will Ommas Küchenschürze im Supermarkt auch nicht sehen und kann es ihr nicht verbieten - oder andere furchtbare Kleidungen ...
Ein Verbot bringt keinen Funken Sicherheit. Terroristen, die Böses tun wollen, scheren sich eh nicht um Verbote - und werden sicher nicht in Burka auffallen, wenn sie zum nächsten Bombentermin eilen.
Aber das Miteinander schlimmer machen, das tut dieser Streit.

Mehr nicht.



Dienstag, 28. Juni 2016
Hurra, wir sind die Besten?
Deutschland ist in einer Umfrage unter 16.000 Leuten (nach der Repräsentativität der Gruppe will ich mal nicht fragen oder danach, wie die 16.000 für über 7 Milliarden stehen)
zum Besten Land gekürt worden.

http://www.welt.de/wirtschaft/article151238382/Warum-Deutschland-das-beste-Land-der-Welt-ist.html

Ich lasse den Käse außen vor, was für einen Aussagegehalt das haben kann, sondern nehme nur die Tatsache an sich.
Wie schlecht muss es in anderen Ländern sein, wenn hilflose Politik, erstarkender Nationalismus, sterbendes Europa, wachsende wirtschaftliche Ungerechtigkeit, versagendes Bildungssystem, Rückschritte in Forschung und Entwicklung ... und und und ...
wenn all das wirklich das "Beste" ist ... (von was? der Welt, allen Ländern, was zählt alles zu dieser Menge, die bewertet wird?)
Wie kann da überhaupt von gut gesprochen werden.

Dieser Titel ist tiefster Ausdruck des real existierenden Nihilismus ...
Wir sind die Besten ... armes Deutschland.



Donnerstag, 11. Februar 2016
Lieber abwarten und echte Ergebnisse berichten!
Ganz sicher ist es schon schlimm genug, dass Unfälle passieren. Das Mitgefühl empfindet mit den Opfern einer Katastrophe wie dem aktuellen Zugunglück ...
Natürlich ist es nichts Neues, dass es einen Katastrophen-Sensationalismus gibt - sich ein schreckliches Geschehen von Ferne anzusehen ist offenbar für (viele?) Menschen ähnlich wie das Ansehen eines Action-Movies:
Wenn man das an sich schreckliche Geschehen aus dem warmen, sicheren Sessel heraus betrachtet, kann man emotional an dem Geschehen teilhaben, ohne selbst in Gefahr zu sein.

Nein - dieser Blogg-Eintrag ist keine neuerliche Schmutzschleuder gegen Katastrophen-Voyeurismus. Ohne eine solche Anteilnahme sind auch die wirklich guten Hilfsengagements wahrscheinlich verdammt, unbeachtet zu bleiben, weil sie keine Unterstützung finden.
Auffällig ist aber, dass eine entsprechend Katastrophen-begeisterte Presse (natürlich) das emotionale Bedürfnis der lesenden Anteilnehmer befriedigen will.
Eines dieser emotionalen Bedürfnisse ist sicher, wer ist schuld, warum ist das ganze passiert.
Ich glaube, die meisten Leser (ich nehme mich da garnicht aus) sind an der Frage deshalb interessiert, weil man vermeintlich abschätzen möchte, wie wohl das eigene Risiko sein könnte, wenn man das nächste Mal mit dem Zug fährt, Flugzeug fliegt, etc ...
Und ich glaube, es ist für die meisten beruhigender, wenn dort gesagt wird, es war ein ganz ganz ganz ganz seltener technischer Fehler, der zu beheben ist - denn darauf beruht die technische Weiterentwicklung.

Der Horror ist aber das menschliche Versagen, denn das erscheint irgendwie immer unveränderbar zu sein.
Das ist natürlich irrational - auch bei fortgeschrittener Technik KANN es zu Fehlproduktionen kommen, etc ... und natürlich wird das menschliche Verhalten durch Schulungen und Maßnahmen in der Organisation genauso ständig verbessert.
Trotzdem war ich sehr erstaunt, als kaum einen Tag nach dem Bahnunglück es jetzt schon hieß, es wäre menschliches Versagen gewesen - und die Schuld eindeutig zugewiesen wurde.
Normalerweise brauchen die Untersuchungen entsprechend länger nach dem Abschluß der Rettungsarbeiten ... und ist erst dann valide, wenn mühsam alle Fakten aufgenommen werden konnten.
Aber hier war von Sherlock-Holmes-haft sofort alles klar.
Zumindest haben die verschiedenen Medien dies sofort so berichtet - und dabei offenbar von einander abgeschrieben.
Denn jetzt beginnt die Berichterstattung zurück zu rudern.

In der Journalistik wird eigentlich gerne viel Aufhebens davon gemacht, wie sehr Quellen gesichert sein müssen, etc ...
Aber wenn man sich das so betrachtet, dann scheint es damit nicht (mehr?) weit her zu sein ...
Ist der Wert der emotionalen Beschwichtigung soviel höher, als eine Sicherheit, auch die Wahrheit zu sagen?
Was ist mit dem emotionalen Schaden, der bei denen durch journalistischen Rufmord verursacht wird, die erst einmal beschuldigt werden - und sich wahrscheinlich auch später dann nie ganz davon reinwaschen können?

Es ist zwar sicher sinnlos, dagegen anschreiben zu wollen.
Aber mir tut es emotionalerweise gut, einfach dazu meine Meinung gesagt zu haben.
Und wenn es gerechtfertigt erscheint, Unrichtiges oder Ungesichertes zu äußern, um ein emotionales Bedürfnis zu stillen, dann hat auch dieser Blogg seine Daseinsberechtigung, wenn ich mich darin über erstes aufregen kann.