Freitag, 6. Februar 2015
Facebook als Spiegel
Die Zeit hat endlich den journalistischen Durchbruch geschafft:
Da die Pegida-Demonstranten die Befragung weitflächig verweigerten (vermutlich sowohl um zu vermeiden, mißverstanden zu werden, in falsche politische Ecken getrieben zu werden oder noch schlimmeres Gedankengut zu verbergen) hat die Zeit online nun Facebook untersucht, um herauszufunden, wer Pegida unterstützt:

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-02/wer-ist-pegida-facebook-daten

Es geht hier nicht darum, sich über Pegida aufzuregen - das wird berechtigterweise vielenorts bereits getan und immerhin hat es organisatorisch den Anschein, als zerlege sich zumindest die Leitung der Bewegung siich selbst.

Teil der Propaganda der Organisation ist es stets gewesen, Schlagworte auszuteilen und Ängste zu füttern, die eigentlich die meisten Normalbürger bewegen und berühren.
Die meisten friedlebenden Bürger verabscheuen den Terror, verurteilen die Gewalt und haben Angst vor dem Geschehen, das so sehr außerhalb der Kontrolle des Einzelnen zu liegen scheint.

Ist es da verwunderlich, dass viele Leute zu Aussagen aus dem Pegida-Umfeld mal gesagt haben: Ja, die Angst habe ich auch?
Und das bedeutet nicht, dass diese Menschen wirklich Pegida zustimmen oder sich bewußt wären, dass der Typ, dem sie auf Facebook zum Beispiel zugeliked haben, überhaupt dazu gehört.

Und ein weiterer wichtiger Punkt: Es kann sein, dass jemand auf facebook anfangs einer Aussage aus dem Pegida-Kreis zugestimmt hat - aber seit offenbar ist, welches Gedankengut hinter der Organisation steht, sich längst mit Schaudern abgewandt hat. DAS zeigt Facebook aber nicht. Wer schraubt bei tausenden von FB-Likes jedes Daumen-Hoch zurück?

Das Internet vergißt nicht ... und gerade hier wird es überdeutlich. Obwohl die Beteiligungen an den Demonstrationen rückläufig ist, zeigt die Grafik in der Zeit online keinen Rückgang der Likes - und suggeriert damit stetig
hohe Zustimmung. Das ist nicht wahr. Die Likes - und auch das zeigt die Grafik, stagnieren. Alte Likes werden nicht gelöscht, aber neue kommen nicht dazu. Wer das nicht einsieht, versteht nicht, wie die Social Media funktionieren. Zumal von Social Media Maßnahmen wie zugekauufte Likes noch garnicht gesprochen ist.

Was also hat die Zeit-Online getan? Sie hat ein altes, in der Vergangenheit bereits gescheitertes Modell der Verbrechensfahndung ausgegraben und auf facebook angewendet: Die Rasterfahndung. Und beleidigt damit tausende von einfach besorgten Bürgern da draussen, die durch das Bild, das facebook wiederzugeben scheint, lange nicht repräsentiert werden.

Facebook ist KEIN unabhängiger Spiegel. Und genauso vorsichtig, wie jede Erhebung und Befragung bewertet werden muss, muß auch mit Facebook umgegangen werden. Umso mehr, da gerade Likes extern manipuliert werden können - und Social Media Experten und Agenturen sich darauf spezialisiert haben, dies zu tun.

Guter Journalismus muß das einbeziehen. Die Zeit online hat nur genau das getan, was der Presse voon Pegida (genauso unberechtigt wie überzogen) vorgeworen wird: einen Zweckjournalismus, mit Aussagen aufgrund von schwachen Recherchen und statistischen Grundlagen.

Bedauerlich. Gerade von einer Institution wie der Zeit.