Montag, 8. Juni 2015
Stockhiebe für Raif Badawi
Es ist kein neues Thema, aber wie immer: Es muss einen immer wieder streifen, bevor man es ernst und wichtig nimmt.

Der Blogger Raif Badawi ist seitens der religiösen Rechtsprechung in Saudi Arabien zu Stockhieben verurteilt worden. Die Weltöffentlichkeit (na gut, die, die es wahrgenommen haben) haben dagegen protestiert ... aber wie es halt so ist, fruchtlos.
Für unser Verständnis ist eine Verbindung von Rechtstaatlichkeit und Religiosität nicht mehr ganz so nachzuvollziehen, auch wenn in Europa dies historisch noch garnicht so lange getrennt ist - und wenn man sich einige Vorfälle auf Dörfern so ansieht, ist es aus den Köpfen auch noch nicht verschwunden.

Ich will überhaupt nicht behaupten, dass ich den Streit um die Jahiliya nachvollziehen kann, zumal auch gerade die islamische Welt sich über den Stellenwert selbst uneinig ist.
Ich will auch nicht meinen Standpunkt über den anderer setzen und sagen, eine Verbindung von staatsstruktur und Gesetzgebung dürfte es überhaupt nicht geben. Wenn Meinungsfreiheit eine religiöse Forderung wäre, warum nicht?

Ich will nur klar zum Ausdruck bringen, wie sehr ich es schätze, (noch) meine Meinung sagen zu dürfen, ohne mit Gewalt bedroht zu werden ... wobei gerade im Netz die ewig gegenwärtigen Trolle sich da anders ausnehmen ... Aber das ist kein Grund zum Schweigen.
Darum auch:

www.stopfolter.de
amnesty international

Und Danke an alle, die es uns ermöglichen, unsere Meinung sagen zu können.
Mein Plädoyer in Bezug auf Raif Badawi:
Findet einen Weg sich mit seiner Meinung, die abweichend sein mag, konstruktiv auseinander zu setzen - zum Gewinn für beide Seiten.



Kurzer Abgesang auf einen Wunschfremden
Es gibt den alten Youth-Hostler-Spruch:
"A stranger is nothing but a friend I don't know yet."

Ich bin in den 70er Jahren großgeworden.
Meine Helden waren (noch) nicht die X-Men, Ironman oder dergleichen:
Das Heldsein war noch nicht so sehr eine Hybris aus überzüchtetem Technikgedanken, sondern "es ging um die Sache selbst".

Die Sache? Menschlichsein.
Schließlich tobte sich der Indochinakrieg mit allen Folgekonflikten aus, die Hippies prangerten das angeknackste Bild der Gutmenschenstaaten von Amerika an ...
Da gab es den Ruf nach einem Abziehbild, einem Symbol für Menschlichkeit.
Und das war für mich Winnetou.
Ich habe meinem Sohn vor kurzem erst die Karl May Filme nahegelegt - und natürlich fällt einem Erwachsenen dann auf, wie plakativ diese Darstellung gewesen ist. In kaum einer Situation durfte Winnetou echte innere Konflikte haben, sein Seelenleben war immer kristallklar und erhaben, wie ein Diamant.
Genauso unecht erscheint es heute, wo jede Heldengeschichte irgendwo immer etwas Antiheldenhaftes an sich haben muss, um akzeptiert zu werden.

Was ist seit damals geschehen? Hat sich der Wunsch nach Menschlichkeit verändert?
Der Gedanke, sich ohne gewalttätige Konflikte um das Glück von Familie und Freunden zu kümmern, Gastfreundschaft zu bieten und zu Hilfe zu sein, um gemeinsam ein gutes Leben zu haben?
Es ist klar, dass dies plakativ ist, aber eine Geschichte kann doch auch plakative Wünsche darstellen ... oder muß jedes Kind den Eindruck bekommen, dass selbst anzustrebende Ideale immer in sich zerrissen sind?

Ich fand Winnetou toll. Old Shaterhand auch, aber der war eher eine zerrissene Seele, der bei den edlen Wilden Heilung suchte.
In den vergangenen Jahren habe ich mich intensiver mit indianischer Geschichte auseinandergesetzt - und natürlich ist es klar, dass ein Tecumseh, ein Geronimo, ein Red Cloud, Crazy Horse, Sitting Bull und und und echte Menschen waren und keine beliebig reproduzierbare Heldenabbilder.
Aber der Wunsch, sich ein solches auch moralisches Ideal zu wünschen, wie eine Art Nordstern, war sicher nicht schlecht.
Es fällt mir schwer, meinem Sohn zu sagen, He, nimm Dir Ironman zum Vorbild: Nicht dass der nicht auch Gutes verfolgen würde, aber seine Differenzen zwischen Handeln und eigenem Sein sind durch Konflikte so unscharf, dass der Kern, der bewundert werden kann, nur schwer erkannt werden kann.
Und moralische Unschärfen gibt es im Alltag genug.
Da möchte ich doch lieber ein unrealistisches, aber eindeutiges Bild, auf das ich verweisen kann.

Eben Winnetou.

Pierre Brice ist mit 86 Jahren verstorben. Sein Winnetou wird ihn hoffentlich weiter überleben.

RIP.