Donnerstag, 18. Juni 2015
Unnatürliches und Homoehe
Fast denkt man, es sei schon Sommerloch:
Die Öffentlichkeit dreht durch wegen der Homoehe.
Unnatürlich schreien die einen, die anderen wettern dagegen: "Notwendige Anpassung an moderne Realitäten!"
Ein mächtiger Sturm im Wasserglas, denn um was geht es wirklich?
Eigentlich um nichts.

Nun gut. Für ein Lager (ich mag es nicht das Konservative nennen, denn die Beweggründe, Homoehe abzulehnen sind so vielfältig wie unsachlich) ist dagegen. Punktum.
Es existiert ein Bild von Ehe und Homoehe paßt nicht dazu.
Dabei: Das Familienbild, das gerne als historisch beschrieben wird, ist so alt noch garnicht, sondern eine Entwicklung aus der Zeit des Pietismus ... aber historisches Streiten bringt hier eh nichts, denn es geht nicht darum, was man evtl. vor Jahrhundert anders oder gleich gemacht hat, sondern es geht darum, was man jetzt tun sollte.

Worum es wirklich geht?
Es geht darum, ob Leute, die dieselben lebensgemeinschaftlichen Aufgaben erfüllen wie in einer Ehe auch diesen Status erhalten dürfen.
Dahinter stehen dann so merkwürdige Aussagen wie, die können doch garkeine Kinder grossziehen, etc.
Sorry. Was für ein Humbug.
Niemand kann einem Menschen die Fähigkeit zu lieben absprechen, auch gegenüber nachwuchs, nur weil er sich nicht am Hetero-Bild ausrichtet.
Und die ganzen Katastrophen in Heteroehen zeigen, dass es keine allgemeine Eignung gibt, die zu einer Ehe befähigt.

Also laßt Schwule und Lesben in Ruhe ihre Lebensgemeinschaft führen - und gebt Ihnen, was Ihnen durch das Zusammenleben zusteht: Ihre Ehe.



Freitag, 12. Juni 2015
Politik und Sport
Seit vielen Jahren versuche ich, um dieses Thema einen Bogen zu machen - und das ist nicht leicht, denn nicht zuletzt ist gerade der Fußball eines der bestimmenden Elemente geworden, die in unserer Gesellschaft das "MANN"-Sein ausmachen:
Fußball und Bier.

Ich kann mit beidem nicht viel anfangen.
Aber wem es Spaß macht, der soll genau daran Freude haben. Ich finde es gut, wenn jemand sich begeistert - so auch mein Sohn für Bayern München ... Ich muss es nicht verstehen, aber letztendlich verstehen viele Leute meine Leidenschaften auch nicht, und wenn jeder seinen Spaß haben kann, ohne dass ein anderer sich auf den Fuß getreten fühlt, umso besser.

Aber genau da ist das Problem.
Oder liegt es am Männlichkeitswahn?
Denn nach Spaß sieht es einfach nicht aus, was aus den Diskussionen und Pressemitteilungen widerhallt:
Das klingt alles eher nach Weltpolitik oder Religion und wahrscheinlich ist es sogar beides.
Die Aufregung um einen Herr Blatter ist nachvollziehbar, aber wenn das ganze Getöse das Ziel hatte, das Schattenregime in der FIFA abzusägen, prima, dann ist das Ziel erreicht, können wir uns dann wieder wichtigen Themen widmen? Seit Wochen wogt Unzufriedenheit durch die Mitarbeiterwelt - mit Streiks und allen Folgen - aber kaum kommt der Fußball, dann muss alles andere hinten anstehen.

Es ist keine Kritik an Fußball, wenn ich sage, der ganze Fußballrummel und dessen Politikverquickung ist der bunteste Sack Reis, der in China in letzter Zeit umgefallen ist.
Das Spiel macht Spaß - auch wenn einige der Fußball-Bosse so aussehen, als hätten sie selbst lange nicht mehr gespielt. Ich leite eine Kindersportgruppe (in einem ganz anderen Bereich, aber das gehört hier nicht her) und dort Fußball zu spielen macht Spaß. Vielleicht ist das einmal ein Rat an die Funktionäre: Spielt mal wieder selbst.

Am meisten betrübt mich der Umgang in der Information mit dem Frauenfußball. Gerade durfte ich lesen, dass aus einer offenbar weiblichen Quelle gesagt wurde: "Ob das nochmal etwas wird mit dem Frauenfußball?"
Geschlecht hin oder her: Kann man der Damen-Elf mal bitte den berechtigten Stolz auf deren Leistungen lassen?
Es ist mir egal, ob Sesselsitzer von aussen meinen, der Frauenfussball sähe aus wie Männerfussball vor 25 Jahren. Es sind jetzt begeisterte Sportlerinnen, die mit Einsatz und Leidenschaft ihr Spiel spielen. Und allein schon, weil sie es spielen, obwohl scheinbar die ganze Männerwelt etwas höhnisch rüberschielt ...
Darum ganz einfach: Weiter so Mädels, spielt mit Spaß. Sport soll Spaß machen. Nicht nur Geld, Macht, Politik ... Spaß.



Montag, 8. Juni 2015
Stockhiebe für Raif Badawi
Es ist kein neues Thema, aber wie immer: Es muss einen immer wieder streifen, bevor man es ernst und wichtig nimmt.

Der Blogger Raif Badawi ist seitens der religiösen Rechtsprechung in Saudi Arabien zu Stockhieben verurteilt worden. Die Weltöffentlichkeit (na gut, die, die es wahrgenommen haben) haben dagegen protestiert ... aber wie es halt so ist, fruchtlos.
Für unser Verständnis ist eine Verbindung von Rechtstaatlichkeit und Religiosität nicht mehr ganz so nachzuvollziehen, auch wenn in Europa dies historisch noch garnicht so lange getrennt ist - und wenn man sich einige Vorfälle auf Dörfern so ansieht, ist es aus den Köpfen auch noch nicht verschwunden.

Ich will überhaupt nicht behaupten, dass ich den Streit um die Jahiliya nachvollziehen kann, zumal auch gerade die islamische Welt sich über den Stellenwert selbst uneinig ist.
Ich will auch nicht meinen Standpunkt über den anderer setzen und sagen, eine Verbindung von staatsstruktur und Gesetzgebung dürfte es überhaupt nicht geben. Wenn Meinungsfreiheit eine religiöse Forderung wäre, warum nicht?

Ich will nur klar zum Ausdruck bringen, wie sehr ich es schätze, (noch) meine Meinung sagen zu dürfen, ohne mit Gewalt bedroht zu werden ... wobei gerade im Netz die ewig gegenwärtigen Trolle sich da anders ausnehmen ... Aber das ist kein Grund zum Schweigen.
Darum auch:

www.stopfolter.de
amnesty international

Und Danke an alle, die es uns ermöglichen, unsere Meinung sagen zu können.
Mein Plädoyer in Bezug auf Raif Badawi:
Findet einen Weg sich mit seiner Meinung, die abweichend sein mag, konstruktiv auseinander zu setzen - zum Gewinn für beide Seiten.



Kurzer Abgesang auf einen Wunschfremden
Es gibt den alten Youth-Hostler-Spruch:
"A stranger is nothing but a friend I don't know yet."

Ich bin in den 70er Jahren großgeworden.
Meine Helden waren (noch) nicht die X-Men, Ironman oder dergleichen:
Das Heldsein war noch nicht so sehr eine Hybris aus überzüchtetem Technikgedanken, sondern "es ging um die Sache selbst".

Die Sache? Menschlichsein.
Schließlich tobte sich der Indochinakrieg mit allen Folgekonflikten aus, die Hippies prangerten das angeknackste Bild der Gutmenschenstaaten von Amerika an ...
Da gab es den Ruf nach einem Abziehbild, einem Symbol für Menschlichkeit.
Und das war für mich Winnetou.
Ich habe meinem Sohn vor kurzem erst die Karl May Filme nahegelegt - und natürlich fällt einem Erwachsenen dann auf, wie plakativ diese Darstellung gewesen ist. In kaum einer Situation durfte Winnetou echte innere Konflikte haben, sein Seelenleben war immer kristallklar und erhaben, wie ein Diamant.
Genauso unecht erscheint es heute, wo jede Heldengeschichte irgendwo immer etwas Antiheldenhaftes an sich haben muss, um akzeptiert zu werden.

Was ist seit damals geschehen? Hat sich der Wunsch nach Menschlichkeit verändert?
Der Gedanke, sich ohne gewalttätige Konflikte um das Glück von Familie und Freunden zu kümmern, Gastfreundschaft zu bieten und zu Hilfe zu sein, um gemeinsam ein gutes Leben zu haben?
Es ist klar, dass dies plakativ ist, aber eine Geschichte kann doch auch plakative Wünsche darstellen ... oder muß jedes Kind den Eindruck bekommen, dass selbst anzustrebende Ideale immer in sich zerrissen sind?

Ich fand Winnetou toll. Old Shaterhand auch, aber der war eher eine zerrissene Seele, der bei den edlen Wilden Heilung suchte.
In den vergangenen Jahren habe ich mich intensiver mit indianischer Geschichte auseinandergesetzt - und natürlich ist es klar, dass ein Tecumseh, ein Geronimo, ein Red Cloud, Crazy Horse, Sitting Bull und und und echte Menschen waren und keine beliebig reproduzierbare Heldenabbilder.
Aber der Wunsch, sich ein solches auch moralisches Ideal zu wünschen, wie eine Art Nordstern, war sicher nicht schlecht.
Es fällt mir schwer, meinem Sohn zu sagen, He, nimm Dir Ironman zum Vorbild: Nicht dass der nicht auch Gutes verfolgen würde, aber seine Differenzen zwischen Handeln und eigenem Sein sind durch Konflikte so unscharf, dass der Kern, der bewundert werden kann, nur schwer erkannt werden kann.
Und moralische Unschärfen gibt es im Alltag genug.
Da möchte ich doch lieber ein unrealistisches, aber eindeutiges Bild, auf das ich verweisen kann.

Eben Winnetou.

Pierre Brice ist mit 86 Jahren verstorben. Sein Winnetou wird ihn hoffentlich weiter überleben.

RIP.